Berlin 1913: Die farbenfrohe Hochzeit der Prinzessin
…und der erste Farbfilm der Hauptstadt
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das der erste authentische Farbfilm vor der Kulisse von Berlin. Er wurde 1913 anlässlich der Hochzeit von Prinzessin Viktoria Luise, Tochter von Kaiser Wilhelm II, mit Prinz Ernst August von Hannover gedreht.
Das kurze und relativ gut erhaltene Video ist eines der ersten Beispiele für Farbfilme in Deutschland. Es handelt sich hier nicht um künstliche Filmkolorierung, sondern um Farbaufnahmen. Die Technik der Farbfotografie steckte damals noch in den Kinderschuhen. Genau zwischen dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde intensiv mit verschiedenen Farbsystemen für Videoaufnahmen experimentiert. Die hier im Berlin verwendete Technik basiert auf Schwarzweiß Dreharbeit und Kameraaufnahmen mit Filterscheiben aus den Grundfarben Blau, Grün und Rot.
Die Aufnahmen zeigen die Truppenparade und den königlichen Festzug mit Pferdewagen und Autos. Von der Stadt Berlin ist nicht viel zu sehen, aber der Straßenabschnitt vom Brandenburger Tor bis zum Lustgarten ist deutlich erkennbar. Wenn auch beschränkt in Qualität und Technik, ist es dem Film trotzdem gelungen die höfische Pracht und den Glanz der wilhelminischen Epoche zu übermitteln.
Die letzte große Adelsparty vor dem großen Krieg
Die Hochzeit der Prinzessin am 24. Mai 1913 wurde Anlass für das letzte prunkvolle Treffen des internationale Hochadels im Berlin vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Es war auch das Jahr des 25. Thronjubiläums des Kaisers. Wilhelm II nutzte die Gelegenheit, um ein Medienspektakel über die Macht und die Größe des deutschen Reiches zu veranstalten. Die Feierlichkeit sollte von verschiedenen Filmkameras aufgenommen werden, damit die Glorie des Hauses Hohenzollern im Film verewigt wird.
Das Volk spielte mit, ging auf die Straßen hinaus und jubelte der Prinzessin und ihrem Vater zu. Wilhelm lies die Schulen in Berlin und Potsdam an diesem Tag schließen. Niemand konnte während des feierlichen Ereignisses ahnen, was ein Jahr später passieren würde. Nur wenige waren in der Lage zu sehen, was sich hinter den Kulissen versteckte.
Die Kaiserzeit war eine widersprüchliche, von ungeheuren und dramatischen Änderungen geprägte Epoche. Der soziale Umbruch und rasante wissenschaftliche Fortschritt entsprach keiner angemessenen politischen Veränderung. Die dekadente Aristokratie beharrte auf Privilegien und einer archaischen Sicht Europas. Das wachsende Bürgertum bereicherte sich zynisch durch die Kolonialherrschaft. Dem gegenüber stand der Rest der Bevölkerung, die ausgebeuteten Arbeiter, die Bauer und die Armen.
Als der Adel die Hochzeit feierte, kamen hunderte Anarchisten in Berlin zusammen, um gegen den Zar und sein unterdrückendes System zu protestieren. Die schöne Jugendstilfassade und der Prunk des Fürstenhofs genügten nicht mehr, um die Unruhe und Sorge der Gesellschaft zu verdecken.