Pankow zwischen Reichtum und Armut

Zwei Wohnungen in Pankow erzählen Geschichten einer vergessenen Zeit

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Museum Pankow Heynstrasse Foto © Spioncino su Berlino

Pankow Ende des 19. Jahrhunderts: Zwei Wohnungen und zwei Lebensbedingungen im Vergleich. Dieselbe Stadt, dasselbe Zeitalter, aber zwei komplett unterschiedliche soziale Verhältnisse, die sich ein paar hundert Meter voneinander entfalten.

Die Museumswohnungen von Pankow

Sie sind so geblieben, wie sie vor ungefähr 150 Jahren waren. Die originale Einrichtung, die Fliesen an der Wand, die Aufteilung der Zimmer lassen einen Blick in die Wohnbedingungen und Lebensverhältnisse in Berlin um 1900 werfen.

Die Wohnungen gehören jeweils einem Zimmermeister, der harte Arbeit leisten muss, und einem reichen Unternehmer mit philanthropischen Vorhaben, der ein prunkvolles bürgerliches Leben führt. Sie sind zwei Akteure einer historischen Epoche, die viele Gemeinsamkeiten mit unserer Zeit teilt. Der eine wohnte in der Dunckerstraße 77, Bezirk Prenzlauer Berg, der andere nur zwanzig Minuten zu Fuß entfernt in der Heynstraße 8 im Pankow.

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Salon mit originaler Ausstattung in Museum Pankow Heynstrasse Foto © Spioncino su Berlino

Pankow in der Gründerzeit

Die sogenannte „Gründerzeit“ war anscheinend eine glückliche Zeit für Deutschland. Hochstimmung herrschte in der deutschen Gemeinschaft. Die Gründung des Reiches, der gewonnene Krieg gegen Frankreich, das Gefühl einer wiedergefundenen Einheit der verschiedenen deutschen Länder trugen alle dazu bei. Nicht zuletzt spielt auch das Geld, das durch den wirtschaftlichen Aufschwung wie nie zuvor zu fließen begann, eine wichtige Rolle.

Das neue Eisenbahnnetz, die starke Beteiligung an der europäischen Kolonialherrschaft und die Reparationszahlungen aus Frankreich öffneten vielen Bürgern eine Chance reich zu werden. Vor allem profitierte davon die obere Mittelschicht.

Die prachtvollen Gebäude in Pankow, wie in vielen anderen Stadtteilen Berlins, sind ein Beweis dafür. Die Großbourgeoisie übertrifft den Adel an Reichtum und ahmt seinen Lebensstil und seine Eleganz nach. Auf der anderen Seite kämpfen die Bauern und die Arbeiter ums Überleben. Das Gehalt eines Fabrikarbeiters war höher geworden, sein Leben durch neue Reformen und Sozialgesetze besser beschützt. Trotzdem wuchs die Kluft zwischen Arm und Reich in dieser Zeit des Umbruchs dramatisch.

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Spendenpostkarte zur Linderung der Wohnungsnot der ärmeren Schichten – 1912
Foto © Spioncino su Berlino

Die dunkle Seite Berlins

1871 wird Berlin Hauptstadt des neuen deutschen Kaiserreiches. Die Industrie der Stadt zieht Arbeitskräfte aus allen deutschen Gebieten und Nachbarländern an. Von ungefähr 400.000 Menschen im Jahr 1850 stieg die Bevölkerungszahl Berlins auf mehr als zwei Millionen um 1900.

Die Wohnverhältnisse sind ein vertrauenswürdiger Armutsindikator. In Pankow und in anderen zentralen Vierteln der Stadt entstanden damals die Mietkasernen. Dunkle Baublöcke, die aus mehrgeschossigen Mietshäusern bestanden. Viele kinderreiche Familien aus dem proletarischen Milieu und dem fünften Stand hatten keine andere Wahl, als sich ein kleines Zimmer zu teilen.

Es sind die Jahre, in denen der Künstler Zille das Elend der Großstadt in seinen Zeichnungen einfängt und verewigt. „Man könnte mit einer Wohnung einen Menschen ebenso töten wie mit einer Axt“, sagte er einst.

Wohnungsnot

Die Museumswohnungen von Pankow erinnern uns an diese schwierige Zeit. Während der Fabrikbesitzer Heyn Grundstücke in Berlin kaufen und bebauen konnte, musste der Zimmermeister Brunzel sich mit Untervermietung über Wasser halten. Teile der eigenen Wohnung an Familienfremde zu vermieten war eine übliche Praxis, wie wir in den Museumswohnungen von Pankow erfahren. „Fast jeder siebte Berliner lebte 1905 in der Wohnung einer fremden Familie“, erklärt uns die Museumsführerin.

Die Mieter sind Zuwanderer, Arbeitssuchender, junge Männer und Frauen auf der Suche nach Erfolg in der Großstadt. Diejenigen, die es sich leisten können, mieteten ein Schlafzimmer mit gemeinsamer Küche und Toilette (falls vorhanden). Viele konnten nur einen Schlafplatz untermieten.

Es war keine Seltenheit, dass dasselbe Bett an verschiedenen Menschen gleichzeitig untervermietet wurde. Die Mieter haben es abwechselnd benutzt. Wer in der Nacht arbeitete, konnte dort während des Tages schlafen und umgekehrt. Die meisten von ihnen sind Gelegenheitsarbeiter und Dienstmädchen, die als „Schlafbursche“ oder „Schlafmädchen“ bezeichnet wurden.

Nicht viel besser ging auch den Dienstmädchen, die in einem wohlhabenden Haushalt angestellt waren. Sie sahen sich häufig gezwungen, auf dem Fußboden, im Abstellraum oder sogar in der Badewanne zu schlafen.

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Badewanne in in Museum Pankow Heynstrasse Foto © Spioncino su Berlino

Berlins Wohnungsmangel heute

Der Urbanisierungsprozess Berlins geht seit der Zeit der Industrialisierung unaufhaltsam voran. Große Fortschritte sehen wir aber nicht. Zwar gibt es menschenunwürdige Wohnungen nicht mehr und die hygienischen Verhältnisse sind besser geworden, die Wohnungsnot ist aber dramatisch geblieben.

Dazu tragen die Zuwanderer auf der Suche nach bessere Berufschancen, die Studenten der Universitäten und die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten bei. Die Hauptstadt beherbergt auch jedes Jahr Millionen. Wirtschafts- und Finanzkrise auf der einen Seite und Bauspekulanten auf der andere sorgen für steigende Mietpreise. Obdachlosigkeit spitzt sich in Berlin wieder zu.

Wir wären nicht überrascht, wenn neue „Schlafburschen“ und „Schlafmädchen“ in der aktuellen Wohnungsnot wieder in Berlin erscheinen würden.

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Wartende vor dem Haupteingang der städtischen Gasanstalt Danziger Straße um 1920 – Quelle Landesarchiv Berlin – Museum Pankow Dunckerstraße 77 Foto © Spioncino su Berlino
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Museum Pankow Dunckerstraße 77 Foto © Spioncino su Berlino

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