Stille Helfer in der Nacht

Obdachlose auf Bank ©gladatony -Pixabay

Obdachlose auf Bank ©gladatony –Pixabay

Gewitterschauer und Schneesturm halten sie im Winter nicht auf. Während der Urlaubszeit scheuen sie sich nicht Ihre Freizeit zu opfern. Mehr als 8% der Bürger meldet sich jedes Jahr in Deutschland für freiwillige soziale Arbeit. Sie sind immer bereit sich auf den Weg dorthin zu machen, wo ihre Hilfe gebraucht wird. Das machen sie gratis, unauffällig und bescheiden, aus tiefer innerer Überzeugung.

Laut der aktuellsten vorliegenden Statistik der Bundesregierung sind mehr als 30 Millionen Menschen zurzeit in Deutschland ehrenamtlich engagiert. Jahr für Jahr nimmt ihre Anzahl zu. Ihre Tätigkeit breitet sich in viele Lebensbereiche aus, darunter Sport, Erziehung, Umwelt und Altenpflege.

Durchschnittlich sind es gebildete Bürger, die viele Kompetenzen zu ihrem Engagement mitbringen. Wenn die Beschäftigung in Kultur-, Musik- und Sportvereinen stattfindet, bringt es auch Spaß und Ablenkung mit sich, andere Aufgaben fordern in Gegensatz dazu körperliche und psychische Anstrengung.„Gegenseitige Hilfe macht selbst arme Leute reich“. Sprichwort aus China

Das Interesse für soziale Engagement

Besonders schwierig ist die soziale Arbeit mit den Alten, den Behinderten und den Armen. Dennoch ist auch in diesem Bereich die Nachfrage für ehrenamtliche Beteiligung so hoch, dass zahllose Freiwilligen-Agenturen in allen deutschen Großstädten Projekten anbieten.

Foto©quinntheislander

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Es gibt sogar Vereine, wie Startsocial in München, die Hilfe für die Helfer organisieren und ehrenamtliche Bürger in ihrem Engagement unterstützen. In Berlin bietet Die Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland zertifizierte Fortbildungsseminare an und berät Nonprofit-Organisationen zur Projektentwicklung.

Kurz, seien es Stiftungen, Kirchliche Gemeinden, oder amtliche Einrichtungen, wer sich freiwillige einsetzen möchte, dem stehen zahlreiche Organisationen zur Verfügung.

Bei dem Portal freiwillig.berlin hat der Freiwillige die Gelegenheit in seinem Stadtbezirk die gewünschte Zielgruppe und das Handlungsfeld auszusuchen. Und genau in Berlin werden manche soziale Probleme augenscheinlicher, wie die steigende Obdachlosigkeit.„Ich habe nie ein größeres Vergnügen, als wenn ich einem armen Mann kann ein Haus bauen lassen.“ Friedrich II., der Große (1712 – 1786), preußischer König, »Der alte Fritz«

Zuwanderung und die Immobilienpreise haben die Situation zugespitzt. Immer häufiger trifft man auch im Winter arme Menschen, die ihr Notlager mit Schlafsack und Zeitungen auf der Straße arrangiert haben. Seitens des Berliner Senats fehlen genaue Statistiken und konkrete Angebote. Die wenigen Unterkünften stellen meist die Kirchen zur Verfügung.

Eine Helfergemeinde mitten in Berlin

Innenhof von Herz Jesu Kirche Foto©michelecarloni

Innenhof von Herz Jesu Kirche. In diesem Gebäude finden Obdachlose Zuflucht im Nachtcafé Foto©michelecarloni

Die Pfarrei Herz Jesu war eine der ersten katholischen Kirchen der Stadt, gebaut am Ende des 19. Jahrhunderts. Seit Jahren setzt sie soziale Projekte mit der Hilfe einer lebendigen Gemeinde um. Eine der Initiativen ist ein Winterprogramm für Bedürftige ohne Obdach: Das Nachtcafé.

Aktuell gibt es in Berlin zwischen 3.000-4.000 Obdachlose, aber die Dunkelziffer ist schwer zu schätzen. Sie kann sehr hoch sein, erzählt uns Thomas Hartmer Koordinator des Nachtcafé der Herz Jesu Gemeinde.

Besitzloser finden hier in den Wintermonaten nicht nur Schutzraum und einer warme Mahlzeit, sondern auch die Möglichkeit miteinander in Kontakt zu treten und sich auszutauschen. Ein wichtiger Aspekt, angesichts der Einsamkeit, die das Leben des Obdachloses prägt.

Sie leben in Angst vor Polizeidruck und Angriffen von potentiellen Krawallmacher, betont Hartmer. Sie scheuen sich vor der Gleichgültigkeit oder angeekelten Verachtung ihrer Mitmenschen. Deswegen finden sie in der Öffentlichkeit kaum Plätze, wo sie sich aufhalten können.

Im Nachtcafé sind ca. 40 Freiwilliger in verschiedenen Arbeitsschichten und mit verschiedenen Aufgaben ehrenamtlich tätig. Sie organisieren sich mit Hilfe eines Plans im Internet. Falls Bedarf besteht, nimmt Hartmer auch direkt Kontakt zu ausgesuchten Helfern auf. Vor allem zu Terminen wie Weihnachten und Ostern, wo in der Regel viele verreist sind.

An die Arbeit im Nachtcafé!

“Wir, das Nachtcafé-team, versuchen den Gästen mit den begrenzten Mitteln, die wir haben, eine möglichst angenehme Zeit zu verschaffen”, erklärt Hartmer. Von November bis März für einen Tag in der Woche bieten die Helfer Essen, ein Bett, die Möglichkeit zu duschen und die Wäsche zu waschen.

Die Unterkunft bietet Möglichkeiten bis zu 18 Gästen zu assistieren. Der Tag beginnt am späten Nachmittag mit Kaffee und frischem Kuchen. Am Abend folgt ein warmes, an Ort und Stelle zubereitetes Essen. Nach dem Abendbrot bauen die Helfer die Betten auf und am nächsten Morgen servieren sie ein Frühstück.

Es sind außerdem Helfer benötigt, die die Betten auf- und abbauen, das Geschirr spülen und nach dem Frühstück aufräumen.

Obdachlose in Schönhauser Allee Berlin 2017 Foto©michelecarloni

Obdachlose in Schönhauser Allee Berlin 2017 Foto©michelecarloni

Bei den Gästen übernachten auch zwei Ehrenamtlichen. In der Tat bleibt die Tür zur Unterkunft die ganze Nacht lang geöffnet. So können auch späten eintreffende Gäste ein freies Bett bekommen.

“Geschätzt engagieren sich in einer Woche 20-25 Helfer”, erläutert Hartmer. Einige Helfer arbeiten in mehreren Schichten nacheinander und engagieren sich schon seit vielen Jahren im Nachtcafé.

In der Herz Jesu finden auch Kleiderausgabe und Deutsch-Sprachunterricht nach Bedarf statt. Für persönliche Gespräche und Beratung stehen die Ehrenamtlichen den Gästen immer zu Verfügung.

Wie wird die Winterhilfs-Initiative finanziert?

Das Projekt Nachtcafé stützt sich meistens auf Spenden an die Kirche. Regelmäßige Spendenaufrufe für Kleidung und Hygieneartikel finden auch in der Wintersaison statt.

Zudem bekommt das Projekt 15 € pro Gast und Übernachtung vom Senat. Lebensmittel erhält es von der Berliner Tafel, ein ehrenamtlicher Verein, der Essen zu sozialen Einrichtungen verteilt. Auch eine Bäckerei schenkt ihre nicht verkaufte Ware dem Nachtcafé.

Es ist Zeit für Kooperation zwischen Gemeinden

Auch andere Vereine und Kirchengemeinden organisieren Suppenküchen und Notunterkünfte. Die evangelische Bahnhofsmission in Berlin zum Beispiel ist die größte Organisation für Wohnungslose in der Stadt.

Ein LKW liefert Waren vor der Bahnhofsmission Foto©michelecarloni 2017

Ein LKW liefert Waren vor der Bahnhofsmission, während eine Schlange von Bedürftigen sich versammelt für das täglichen Abendbrot Foto©michelecarloni 2017

Trotz beträchtlicher finanzieller Unterstützung des Berliner Senats leidet die Mission unter ähnlichen Problemen wie Herz Jesu. Bis zu 600 Gäste besuchen die Mission täglich. Die 50 ehrenamtlichen Mitarbeiter, die ständig zu Verfügung stehen sind überfordert und das Geld reicht nicht.

Eine interkonfessioneller Zusammenarbeit fehlt noch. “Ich hoffe, hier wird sich in der Zukunft was ändern” wünscht sich Thomas Hartmer. Eine Armutskonferenz hat 2017 in der St. Marien Liebfrauen Kirche stattgefunden. Das könnte ein erster Schritt zum Austausch der Hilfsorganisationen sein.

Zur Zeit ist der einzige externe Kontakt des Projektes die Berliner Kältehilfe. Sie koordiniert berlinweit alle Einrichtungen für Obdachlose. Falls Nachzügler alle Bettplätze besetzt finden, rufen die Helfer die Kältehilfe. Die Gäste werden mit Bus zur nächsten verfügbaren Unterkunft gebracht.

Obdachlosigkeit in Berlin: Eine unauflösbares Problem?

“Langzeitprojekte für Obdachlose um sie aus der Obdachlosigkeit zu bringen existieren kaum”, hebt Hartmer hervor. Eine Auffassung die auch Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission teilt. Es gibt keinen staatlichen Plan, bestätigt die Evangelische Journalistenschule in ihrem Datenjournalismus-Projekt obdachlosinberlin.de.

Der Senat drängt, dass im Winter 1.000 Übernachtungsmöglichkeiten angeboten werden. Seine Beteiligung bleibt auf finanzielle statt organisatorische Unterstützung begrenzt. Flüchtlingsmigration, steigenden Mieten und massive Zuwanderung aus Osteuropa haben die Obdachlosigkeit in Berlin zugespitzt.

Wie Thomas Hartmer erklärt, sollten zukünftig mehr dauerhafte Lösungen geschaffen werden, anstatt die Armut nur zu verwalten.

Homeless Jesus von Sculptor Timothy Schmalz Foto©JasonYoungman

Homeless Jesus von Sculptor Timothy Schmalz Foto©JasonYoungman

 

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