Von Berlin nach Wittstock: Exkursion in den Dreißigjährigen Krieg
Wie sah Berlin im 17. Jahrhunderten aus? Was hat der Dreißigjährige Krieg für die Stadt bedeutet?
Es ist kein Zufall, dass in Berlin nur wenige Zeugnisse dieser Zeit erhalten geblieben sind.
Berlin und der Dreißigjährige Krieg
Pest, Krieg und Hungersnot waren die Merkmalen der Zeit auch für Berlin.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Berlin nur „ein kümmerliches Residenzstädtchen des Hauses Brandenburg“. Im Jahre 1619 waren die Zivileinwohner Berlins nicht mehr als 12.000. Und einige Jahrzehnte später wurden sie auf ca. die Hälfte reduziert.
Die Historiker sagen, dass Berlin in der Zeit „keinen anmutigen und erfreulichen Anblick gewährte“. Der Große Kurfürst war zunächst gezwungen in Königsberg in Preußen zu leben. Sogar das Dach seines Schlosses in Berlin war eingestürzt. Außerdem war die Umgebung so verarmt, dass er seinen Hof nicht mit genug Essen versorgen konnte. *
Auch wenn eine Stadt nicht direkt vom Krieg getroffen wurde, spürte sie die schaurigen Folge der Kämpfe ringsum. Herumtobende Heere, verwüstete Felder, eingeschränkte Wirtschaft, erhöhte Steuern sind nur einige der Nebenwirkungen eines Krieges. Ganze Gebiete des deutschen Territoriums wurden verödet.
Söldner vor den Toren
Zwar musste Berlin keine direkte Belagerung überstehen, doch wurde die Stadt von verschiedenen Kriegsherren mit ihren Gefolgen besucht. Städte in betroffenen Gebieten waren verpflichtet die Armeen zu beherbergen und sie zu versorgen.
Wallenstein sowie Gustav Adolf kamen mit ihren Soldaten nach Berlin und die Stadt musste zahlen. Die Söldner zu beherbergen kam damals gleich einer Plünderung.
Zudem gab es die Notwendigkeit, strategische Verteidigungsinitiativen zu ergreifen. Auch ohne Soldaten vor den Toren musste Berlin sich vor einer eventuellen Belagerung schützen. Viele Häuser und Gebäude in der Nähe von Stadtmauern oder Tore mussten abgerissen werden.
Hinzu brach die Pest im Berlin zweimal aus. Im Jahr 1631 forderte sie 2.066 Menschenleben und im 1637/38 2.308.**
Zwischen Trübsinn und Völlerei
Wie änderte sich die Stimmung des Volkes nach Jahrzehnten des beherrschenden Krieges? Chroniken der Zeit berichten von Bustage, die aus Anordnung des Kurfürsten gefeiert werden sollten.
Öffentliche Vergnügen in Zeit der Armut und des Krieges wurden als ungeeignet betrachtet, zumindest von den Behörden. Gaukler, Komödianten, Kunstreiter und Tänzer hatten manchmal mit Verboten zu rechnen.
Die Quelle der Epoche bestätigen aber auch wie das Trinken das übliche Heilmittel in schwierigen Zeiten bleibt. Wir lesen „Da hat man alle Gasthöfe, Schenken, Wein- und Bierkeller voller Gesellschaften gesehen, die sich toll und voll gesoffen haben“. Und ebenso der Adler „fortfährt in einem wüsten, wilden und heidnischen Wohlleben in Fressen und Saufen, Spielen und andrer Ueppigkeit“.***
Kurzum war der Krieg Anlass für kirchliche Andacht sowie für andere „weltlichen Wohllüste“.
Wittstock
Im Museum des Dreißigjährigen Krieges in Wittstock zeigt eine permanente Ausstellung welche verelenden Wirkungen dieser Krieg auf das ehemalige Deutschland hatte.
Zweckentsprechend befindet sich das Museum im Turm der Wittstocker Burg. Auf verschiedenen Etagen wird die Geschichte dieser trüben Zeit durch Gegenstände, Bilder, Bücher, Rüstungen und Waffen erzählt. Ausführliche Erklärungen auch in digitalem Format erlauben es einen tiefen Blick in die Sitten, Gebräuche und Grausamkeiten jener Epoche zu werfen.
Der Besuch des Museum ist auch eine Gelegenheit die Kleine gut erhaltene Stadt Wittstocks, ihre Burg und ihren Park zu erkunden. Zumal organisiert die Stadt häufig besondere Ereignisse. Als wir 2019 Wittstock besuchten gab es das Gartenfestival Landesgartenschau.
Barock in Berlin
Von der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist nicht zu viel übrig. Berlin begann zu blühen als Hauptstadt der Mark erst viele Jahre später. Um die durch den Krieg verursachte Entvölkerung zu beseitigen begann der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm seinen Ansiedlungsplan. Juden, Waldenser und Hugenotten wurden eingeladen, später auch Böhmen, Holländer und andere Völker.
Neue prächtige Gebäude, Straßen und Parks entstanden. Eine der ältesten Häuser Berlins ist die Berliner Gaststätte Zur letzten Instanz, gegründet im Jahr 1620. Das Restaurant ist noch heute im Betrieb. Ein paar Schritte weiter an der Ecke Klosterstraße und Parochialstraße kann man die Reste der Parochialkirche besuchen (gebaut zwischen 1695-1703).
Noch beeindruckend ist die Fassade des Ribbeckhauses (Breite Straße 35) 1624 gebaut. Das Galgenhaus (1688, Brüderstrasse 10), eines der wenigen Bürgerhäusern dieser Zeit, wurde 1805 mit klassizistischer Fassade umgebaut.
Andere berühmte Gebäude Berlins mit barocker Ausstattung gehören zu einer späteren Zeit (ca 1690-1715). Nennenswert sind das Zeughaus, Palais Schwerin und Alte Kommandantur. Diese wurden aber alle im Laufe der Zeit kräftig umgebaut und rekonstruiert.
Anmerkungen
*Cicely Veronica Wedgwood – The thirty years war, 1938.
**Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 1+2/2012
***DIE GESCHICHTE BERLINS, Verein für die Geschichte Berlins, Dreißigjährige Krieg und uns seine verelenden Wirkungen in Sitten des Hofadels
Empfohlene Fachliteratur:
- Der Dreißigjährige Krieg
von Wedgwood, C. V. - Der Dreißigjährige Krieg
von Ricarda Huch - Die Verwüstung Deutschlands. Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
von Peter Englund - Der Dreißigjährige Krieg: Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648
von Herfried Münkler - Der Dreißigjährige Krieg: Europa im Kampf um Glaube und Macht, 1618-1648
von Dietmar Pieper - Der Dreißigjährige Krieg
von Peter H. Wilson - Peter Hagendorf – Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg
- Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg
von Maurus Friesenegger - Wallenstein
von Hellmut Diwald - Wallenstein: Sein Leben erzählt von Golo Mann
von Golo Mann